Ismail Tipi im Gespräch mit Sebastian Wamser
Ismail Tipi ist seit 1999 als Politiker für die CDU tätig. Seit 2007 ist er CDU-Kreistagsabgeordneter im Landkreis Offenbach und der erste türkischstämmige Landtagsabgeordnete der CDU Hessen. Besonders aktiv ist er bei den Themen innere Sicherheit und Migration. Gerade weil er selbst ein moderater Muslim ist, sehen viele islamische Fundamentalisten einen Feind in ihm. Immer wieder versucht er die Gefahren des Salafismus/Wahabismus aufzuzeigen und demonstriert gegen die öffentlichen Auftritte fundamentalistischer Hassprediger in Deutschland.
Herr Tipi, Sie sind selbst ein Migrant aus der Türkei. Ihr Vater kam mit einer der ersten Anwerbewellen nach Deutschland. Als Sie 13 Jahre alt waren, zogen Sie aus der Türkei nach. Was ist für Sie Heimat?
Für mich ist Heimat nicht unbedingt da wo man geboren wurde, sondern da, wo man auch satt wird, wo man glücklich ist und seine Familie unterbringt. Wenn man in einer Gesellschaft so angenommen worden ist wie ich, fällt es mir leicht zu sagen: Hier in Deutschland ist meine Heimat.
Das sehen leider nicht alle in Deutschland so…
Natürlich haben wir in den letzten Jahren schlimme ausländerfeindliche Handlungen erlebt, etwa in Mölln, Solingen und jetzt mit dem NSU. Diese Taten dem ganzen Land zuzuschreiben wäre ein großer Fehler. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen ist gastfreundlich und auch fremdenfreundlich, sonst hätten wir keine 16 Millionen Einwohner mit ausländischen Wurzeln.
Integration wird neuerdings immer mehr zum Unwort deklariert. Halten Sie Integration für wichtig?
Natürlich! Integrationsarbeit ist für mich eine der wertvollsten Aufgaben in diesem Land, um unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten. Viele kamen ja nach Deutschland mit der Erwartung, nach 2 Jahren wieder zurückzukehren. Meine Eltern haben konsequent gesagt: „ Hier bleiben wir“, Nachbarn haben jedoch ihre Koffer nie weggeworfen und unter dem Bett bewahrt. Wenn wir Menschen die Chance geben sich hier beruflich und schulisch zu qualifizieren, dann ist das natürlich ein langfristiger Vertrag zwischen Staat und Bürger. Wir wollen und brauchen jeden der bereit ist sich hier einzubringen, menschlich wie wirtschaftlich.
Wie kann man den Integrationsprozess verbessern,- was ist Ihrer Meinung nach das Gebot der Stunde?
Unser Prinzip darf nicht Fördern und Fordern heißen, sondern Fordern und dann Fördern. Wenn wir nichts fordern, wenn wir den Menschen den höflichen Schubs zu ihrem Glück nicht geben, dann erreichen wir nichts. Das haben wir in den letzten 15 Jahren gesehen. Es gibt keine dummen Migranten und Kinder, nur vernachlässigte.
Wie kann das zum Beispiel aussehen?
Die Wichtigkeit der Sprache ist erst in den letzten 10 Jahren erkannt worden. Davor haben wir uns Dolmetschern bedient. Eine Forderung lautet daher zum Beispiel: Du musst die deutsche Sprache erlernen. Dafür hast du zwei Jahre Zeit, dann wird deine Aufenthaltsgenehmigung verlängert. Nur dadurch kann man die Menschen zum Aktivwerden bewegen. Integration läuft nur über Sprachbeherrschung. Wir müssen natürlich alles dafür tun, die Migranten für uns und dieses Land zu gewinnen, aber auch sagen: Ihr gehört dazu, ihr seid willkommen, wenn ihr euch mit unserem Grundgesetz, Verfassung und Werten zurechtfindet.
Es soll ja heute vor allem um die Muslime in Deutschland gehen. Inwieweit hemmt Religion Integration?
Wir sollten die Religionen nicht per se als Problem sehen. Der fundamentalistische Islam, in Form des Salafismus beispielsweise, ist ein sehr großes Hindernis. Mit den meisten Muslimen haben wir keine Probleme, besonders mit den laizistisch geprägten Muslimen aus der Türkei nicht. Wir müssen alle Religionen respektieren, ebenso wie den Atheismus, aber wachsam gegenüber Fundamentalisten sein.
Bei den Demonstrationen gegen Pierre Vogel waren Sie immer präsent. Weshalb immer nur Sie und nicht auch Ihre Kollegen?
Das weiß ich nicht. Mir ist es jedoch wichtig, den Salafisten die Stirn zu bieten. Ich möchte demonstrativ zeigen: Ich bin hier, ich gehöre nicht zu dir, ich bin mit deinen Aussagen nicht einverstanden. Das muss ich machen. Nicht als Politiker und Abgeordneter, sondern als Bürger dieses Landes ist es meine Verantwortung und eine Frage meines Gewissens dagegen vorzugehen. Es ist wie bei einem Kind, das auf einem Dach balanciert und droht herunterzufallen, dann ist es die Pflicht einzugreifen und zu helfen. Auch während meiner Zeit als Journalist habe ich mich bereits gegen die Salafisten engagiert.
Warum ist es Ihnen so ein Herzensanliegen?
Weil ich aus einer Gesellschaft und Kultur komme, aus der ich die Gefahr durch Fundamentalisten kenne. Die Türkei ist ein islamisches Land. Dort und auch in den Nachbarländern sehe ich, wie die Gedanken der Scharia die Gesellschaft verändern. Die Rechte der Frauen werden missachtet und immer mehr sieht man vollverschleiert, das hat mit unserem Rollenverständnis nichts tun. Wenn ich dann sehe, dass einer wie Vogel aus der eigenen Gesellschaft kommt und wöchentlich 10,15 oder 20 zumeist junge Leute konvertiert, kann man sehen wie der Einfluss wächst.
Was für eine Rolle spielt Pierre Vogel?
Die Gedanken die er verbreitet haben mit unserem Religionsverständnis nichts zu tun. Er sagt zwar offiziell nichts was ihm rechtlich Probleme bereiten würde, aber verdeckt, zwischen den Zeilen, sagt er eigentlich alles. In Frankfurt meinte er sinngemäß: „Seht ihr, ich bin da, jeder wollte das verhindern. Niemand in diesem Land kann mich von meinem Auftritt abhalten.“ Purer Hohn und Spott für alle staatlichen Institutionen. Er verlangt Dinge, mit denen wir nicht einverstanden sein können. Er ruft etwa dazu auf, 100.000 Dawa-Zentren zu gründen. Gläubige sollen ihre Küchen und Zimmer zur Verfügung stellen. Das heißt nichts anderes als Zellenstrukturen zu etablieren, wie es auch Terrororganisationen tun. Dort werden die Schläfer untergebracht. Sie werden via Internet, Film, CDs und Büchern einer Gehirnwäsche unterzogen. Wenn er nur ein Prozent von dem wahrmacht was er ankündigt, dann haben wir 1000 Zellen die wir nicht kontrollieren können. Dass schon ein einziger Schläfer eine große Gefahr sein kann, wissen wir.
Ist Deutschland also gefährdet?
Deutschland ist leider in die Schusslinie geraten, etwa durch den Afghanistaneinsatz. Das erleben nicht nur täglich die Soldaten im Einsatz, sondern auch wir in Deutschland. Die Vorstellung, hier könne es keinen islamistischen Anschlag geben, ist spätestens seit Arid U. und seinen Morden am Frankfurter Flughafen vorbei.
Ist die Deutsche Gesellschaft zu tolerant, vielleicht aus einer falschen Furcht den Islam zu diskreditieren?
Ich sagte ja, Deutschland hat eine sehr freundliche Gesellschaft. Weil wir hier demokratische Grundwerte verfolgen und deren Gesinnung sehr ausgeprägt ist, sind die Menschen auch sehr tolerant. Viele glauben daher, dass unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit nur Gutes geschieht. Jede Freiheit endet aber da, wo es bei anderen zu Einengung kommt. Unser Freiheitsverständnis darf nicht so weit gehen, dass wir religiöse Extremisten schützen.
Als eine Großkundgebung Vogels letzten Sommer in Frankfurt zu Ende ging, strömten die Gläubigen Richtung Hauptwache und brüllten frenetisch: Takbir! Takbir! Macht Ihnen dieser Fanatismus Angst?
Am Anfang seiner Rede fing er ja an, mit mir abzurechnen. Er adressierte mich gezielt und sagte: „Ein CDU-Politiker ist da, der einer von uns ist und der verhindern will, dass ich hier heute auftrete.“ Ich wurde dann von seinen Anhängern ausgebuht. Ja, mir machen die Bilder die ich dort sah Angst. Ich sprach mit einer Mädchengruppe. Alle in etwa 16-18 Jahre alt und westlich gekleidet. Ich fragte, weshalb sie hier sind. Sie meinten aus Neugierde. Sie würden Vogel nur vom Internet her kennen und wollten mal hören was er sagt. Ich fragte, ob sie auch in der Gruppierung sind und glauben was er sagt. Sie verneinten das. Ich behielt die Gruppe im Auge. Sie sind nach vorne gegangen und standen dann etwa in der dritten Reihe.
Was geschah dann?
In dem Moment, wo Takbir geschrien wurde und Allahu Akbar, da haben diese Mädchen auch ihre Fäuste in die Luft gestreckt. Sie haben sich einfach mitreißen lassen. Das ist das Problem. Er spricht die Sprache der Straße und der Jugend. Durch seine coole Art erreicht er die Jugendlichen. Es sind Jugendliche, die in ihrem Glaubensverständnis nicht gefestigt sind und dann zu leichter Beute für die Salafisten werden. Es bereitet mir Magenschmerzen die jungen Menschen an die Radikalen zu verlieren.
Jüngst sind in London wieder zwei Deutsche verhaftet worden. Robert B. und Christian David E. In ihren Koffern fand man Anleitungen zum Bombenbau. Sie kamen aus der Solinger Moschee und wurden jetzt mit sehr geringen Haftstrafen verurteilt. Die Mutter von Robert B. ist völlig hilflos und versucht alles, ihren Sohn zurückzubekommen. Der hat jedoch nichts an seiner Einstellung geändert und wohnt nun sogar in der Solinger Moschee. Was kann man dagegen tun?
Ich kann mir vorstellen und halte es auch für erstrebenswert, dass wir bundesweit Präventionsstellen zum Thema Salafismus schaffen. Viele Familien merken ja irgendwann, dass mit den Kindern etwas nicht stimmt. Da sollten wir uns schon Gedanken darüber machen, wie wir den Eltern helfen und diese frühzeitig darüber aufklären können auf was sie achten müssen und wann sie Verdacht schöpfen sollten. Auch über Kontaktstellen für „Aussteiger“ sollte man nachdenken. Die Jugendlichen, die in die salafistischen Fänge geraten sind, darf man keinesfalls aufgeben.
Die Islamisten behaupten von sich, sie verkörpern den wahren Islam. Gemäßigte Muslime sagen, die Salafisten würden ein falsches
Religionsverständnis haben. Was ist denn nun der richtige Islam?
Die meisten Muslime finden es nicht gut wie Pierre Vogel die Religion verkörpert. Der Islam sagt: Nicht die Zeit passt sich dir an, sondern du musst dich der Zeit anpassen. Das heißt Mohammed, wenn er heute leben würde, wäre sicher nicht wie Vogel. Er und seine Anhänger können keine Repräsentanten des Islams sein. Islam ist eine Religion der Toleranz, des Friedens und der Nächstenliebe, so wie auch das Christentum. Die Salafisten treten diese Grundprinzipien mit Füßen und rufen zur Spaltung auf. Deswegen ist Vogel für mich ein Hassprediger und Scharlatan, der Religion für seine Zwecke missbraucht.
Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte der Salafisten?
Ich schätze Vogel wird in den nächsten Jahren eine islamische Partei gründen, das haben seine Anhänger bereits mehrfach gefordert. Ein Verbot würde dann sehr schwer werden wie wir wissen. Deswegen müssen wir präventiv schon verhindern, dass es zu einer solchen Gründung kommt. Dazu gehört auch, die Gründung von Dawa-Zentren zu unterbinden.
Herr Tipi, vielen Dank für das Gespräch.
Sebastian Wamser studierte in Marburg Politikwissenschaften und Soziologie. Religiöse Fundamentalisten aller Couleur sind einer seiner Interessensschwerpunkte. Seit etwa zwei Jahren engagiert er sich gegen den Salafismus in Deutschland. Dazu führte er vor Kurzem dieses Interview mit Ismail Tipi.
Wow, Herr Tipi scheint ein kleiner Lichtblick zu sein, trotz der Bedrohung, der wir uns gegenüber sehen.
AntwortenLöschenSeine Stärke gewinnt Pierre Vogel durch Youtube. Die Jugendlichen treffen dort auf den Bärtigen. Sie können natürlich diesen Typen nicht richtig einordnen, sind noch orientierungslos und lassen sich zu einem fundamentalistischen Islam verführen.
Aber wie kann man z.B. bei Youtube ansetzen?
Sollte man eine Reihe von Gegenvideos starten?
Oder sollte man Youtube von der Gefährlichkeit dieses Typen überzeugen?
Kann da vielleicht Youtube was machen?
Jedenfalls sollten sich die Verteidiger unserer Verfassung zusammenschließen, Moslems und Nichtmoslems und aufklären wo es nur geht.
Ein wichtiger Punkt scheint mir zu sein, dass man Vogels Behauptung entkräftigt, dass man zeigen kann, dass der Koran Gottes Wort ist.
Das ist höchstens ein Glaube mehr nicht. Mit dem Koran steht und fällt Vogels Vorhaben.
Aber Tipi hat absolut recht, wer sich durch die vielen Video Vogels klickt, sieht eindeutig, dass Vogel ein Verfassungsgegner ist und dass er sich hier einen islamischen Staat wünscht....
Was machen wir bloß mit Youtube?
Vielleicht tuts eine Petition? Was kann man tun?